Ausbildungsplatz bei der Firma Haver & Boecker in Oelde/Westfalen
Unter der Leitung des Jesuitenpaters Walter Happel wurde 2005 im Kosovo das Loyola-Gymnasium als klassisches Internatskolleg gegründet. Im Sommer 2009 bestanden die ersten Schüler ihr Abitur. Unter ihnen Arian Shala, der nun in Deutschland eine Ausbildung macht.
Der Kosovo, die kleine Region im Süden des ehemaligen Jugoslawien, hat einige Jahre nach dem Krieg von 1999 noch immer eine unsichere Zukunft. Der Konflikt zwischen Serben und Albanern schwelt weiter, die Wirtschaft und Infrastruktur sind schwach und die Arbeitslosenzahl hoch. Das desolate Bildungs- und Ausbildungssystem ist alles andere als ein Lichtblick für die Zukunft des Landes. Der Kosovo hat eine der jüngsten Bevölkerungen Europas. Das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung liegt bei 24 Jahren. Die ganze Hoffnung des Landes ruht auf der Jugend. Sie braucht eine Chance auf Bildung, um so die Zukunft des Staates aktiv und konstruktiv gestalten zu können.
Ein Gymnasium in Prizren
Vor diesem Hintergrund bekam Pater Walter Happel SJ, nachdem er 16 Jahre als Direktor des Jesuitenkollegs St. Blasien im Südschwarzwald gearbeitet hatte, im Frühjahr 2003 eine neue Aufgabe: Die Planung eines Gymnasiums im Kosovo. In Rekordzeit wurde dann in Prizren das Loyola-Gymnasium errichtet. Ab September 2005 konnten die ersten Mädchen und Jungen die Schule besuchen und im April 2007 waren alle Bauarbeiten abgeschlossen, so dass der volle Betrieb mit über 500 Schülerinnen und Schülern laufen konnte.
Überzeugende Pädagogik
Mit zur ersten Schülergeneration gehörte Arian Shala. Seine Eltern und ein kleiner Bruder waren erst kurz zuvor aus der Schweiz in die Heimat zurückkehrt. Sein Vater sah in der
neu errichteten Schule eine Chance für Arian. Die bewusste europäische Ausrichtung der Erziehungs- und Bildungsarbeit, das hohe akademische Niveau und die Tatsache, dass auch
Deutsch als Fremdsprache unterrichtet wurde, waren Kriterien für ihn, das Schulgeld für das Loyola-Gymnasium aufzubringen. Arian war von Anfang an ein guter Schüler und er profitierte von seinen in der Schweiz erworbenen guten Deutschkenntnissen.
Eine Chance für Arian
Im Rahmen einer neu gegründeten Schulpartnerschaft mit dem Thomas-Morus-Gymnasium kamen im April 2008 erstmalig 25 Schüler des Loyola-Gymnasiums nach Oelde/Westfalen.
Unter ihnen auch Arian Shala. Im Gegensatz zu seinen Schulkollegen nahm er nicht an der Projektarbeit am Gymnasium teil, sondern ging als Praktikant in die Maschinenfabrik von
Haver & Boecker, einem internationalen Maschinenbauunternehmen in Oelde. Einer der beiden Firmenchefs, Dr. Reinhold Festge, der Pater Happel noch aus der Zeit in St. Blasien kannte, hatte einem qualifizierten Schüler des Loyola-Gymnasiums einen Ausbildungsplatz
mit Studienmöglichkeit als seinen Beitrag zur Unterstützung des Kosovo angeboten. Lehrer des Loyola-Gymnasiums und Pater Happel sahen darin für Arian Shala eine große Chance. „Wir wollten, dass Arian das Land und unser Unternehmen kennenlernt, bevor er seine Heimat verlässt und nicht weiß, worauf er sich einlässt“, berichtet Dr. Reinhold Festge. Ein Praktikum im Unternehmen im Rahmen des Schulaustauschs war die ideale Chance.
Arian wohnte bei einer Gastfamilie, erkundete die Stadt Oelde und machte sich mit dem Maschinenbauunternehmen vertraut. Schnell stand Arians Entscheidung für eine Ausbildung bei Haver & Boecker fest: „Ich würde gern etwas mit Feinelektronik machen! Erst einmal muss ich jedoch für das Abitur lernen.“ Im Sommer 2009 meisterte der 19-Jährige sein Abitur am Loyola-Gymnasium mit Bravour und er unterschrieb bei Haver & Boecker einen Ausbildungsvertrag als Mechatroniker mit der Option auf ein parallel laufendes, von der Haver-Stiftung finanziertes Studium. „Ich freue mich über diese riesengroße Chance“, war die Reaktion auf die Aufnahme in den Kreis von 44 Auszubildenden.
Abschied von Zuhause
Mitte August hieß es für Arian, Abschied zu nehmen von seinen Eltern, seinem 17-jährigen Bruder und seiner 9-jährigen Schwester. Arian kam nach Oelde. Ein kleines Firmenapartment
stand für ihn bereit, die Aufnahme unter den Kollegen war herzlich. Sprachprobleme gab es keine. Für Arian wurde ein Traum wahr. Innerhalb weniger Wochen fühlt er sich in seiner neuen Heimat wohl und mittlerweile ist schon das erste halbe Jahr vergangen: „Oelde ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich habe viele Freunde gefunden und fühle mich hier sehr wohl. Die Ausbildung und das gleichzeitige Studium sind zwar nicht ganz leicht, aber auf jeden Fall machbar.“
Pläne für die Zukunft
Haver & Boecker-Chef Dr. Reinhold Festge glaubt an den jungen Kosovaren. „Ich bin mir sicher, dass er seinen Weg machen wird. Vielleicht wird er später ja einmal unser Mann im Kosovo“, zeigt er eine Perspektive auf. Beide, Chef und Auszubildender, haben sich noch etwas vorgenommen. Nachdem Arian als „Speerspitze“ vom Kosovo nach Deutschland kam, sollen auch weitere Schüler eine Chance erhalten. „Ich habe noch einige sehr gut deutsch
sprechende Schulkollegen im Kosovo und sicher wird es weiterhin aussichtsreiche Schüler am Loyola-Gymnasium geben. Für sie wünschen wir uns weitere Ausbildungsplätze in Deutschland“, umreißt Arian die Vision, die er mit Dr. Reinhold Festge teilt.
Andrea Stahnke,
Maschinenfabrik Haver & Boecker